
Löschflugzeug läutet neues Brandschutz-Zeitalter im Harzkreis ein
Das erste stationäre Löschflugzeug Deutschlands ist da – im Landkreis Harz. Gestern um 17.02 Uhr setzte das einmotorige Löschflugzeug vom Typ SEAT (Single Engine Air Tanker) auf der Grasbahn des Flugplatzes Ballenstedt/Harz auf. Nördlich der Gegensteine richtet das seit Jahrzehnten in der Luftbrandbekämpfung erfahrene polnischen Unternehmen „Mieleckie Zakłady Lotnicze“ (MZL) seine Flight-Base ein, 156 Meter über dem Meeresspiegel. Keine 60 Stunden zuvor hatte der Landkreis den vorerst auf zwei Jahre befristeten Dienstleister-Vertrag mit MZL unterzeichnet.
Pilot Maciej Lewandowski war nach dem knapp dreieinhalbstündigen Flug – das Regenwetter zwang ihn bei Halle zu einer Zwischenlandung – vom Empfang auf dem Flugplatz Ballenstedt überwältigt. Feuerwehrfahrzeuge und jede Menge Feuerwehrleute aus dem ganzen Kreisgebiet, mehrere Bürgermeister sowie viele Schaulustige applaudierten bei strahlendem Sonnenschein nach der
Landung vor Begeisterung. Immerhin: Im Harz wurde am 30. März deutsche Feuerwehrgeschichte geschrieben. „Wir sind der erste deutsche Landkreis, der ein Löschflugzeug hat“, so der Landrat, „und alle sind stolz auf dieses neue Löschmittel.“

Thomas Balcerowski begrüßte als erster den Berufspiloten Lewandowski. „You are welcome!“ sagte der Landrat und überreichte ihm eine „Harzer Schlemmerkiste“. Nach Interviews und Fotos an der
einmotorigen Dromader PZL M18 B betankte die Freiwillige Feuerwehr Wasserleben den Flugzeug-Wassertank zweimal mit jeweils 2 200 Liter Wasser, die die Maschine dann auf dem Rollfeld abwarf. „Die Livebilder haben alle beeindruckt und überzeugt: Damit ist der Harzkreis vom 1. April bis zum 30. September für die Waldbrandsaison gut aufgestellt“, war Landrat Balcerowski glücklich. Die
jährlichen Bereitstellungskosten von 150 000 Euro seien gut investiertes Geld und „eine Art Lebensversicherung“.
„Wir haben uns mit dem Löschflugzeug besser auf die Bekämpfung immer häufiger vorkommender Waldbrände eingestellt. So können wir im Brandfall größere Schäden schon frühzeitig verhindern“, ist der Landrat überzeugt. Je schneller nach der Brandmeldung das Wasser gegen das Feuer eingesetzt werden könne, desto geringer ist der Schaden, den die Flammen in den oft schlecht zugänglichen Waldgebieten des Harzes anrichten können. „Mitten im Klimawandel, der das Gesicht des Harzer Waldes durch den Verlust von rund 21 000 Hektar Wald für Jahrzehnte verändert hat, mussten wir reagieren und haben getan, was möglich war“, erklärte Balcerowski. Mit dem Löschflugzeug betrete der Harzkreis Neuland, sei quasi „ein Experimentierfeld, in dem der Flieger in der jetzt beginnenden Brandsaison unbürokratisch und schnell beim ersten Löschangriff helfen wird, im Harzkreis und auch in den Nachbarlandkreisen“.
Am Gründonnerstag beginnt mit der ersten theoretischen Einweisung der Feuerwehrleute die Herstellung der Einsatzbereitschaft, kündigte Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse an. Anschließend folge das praktische Training an der Dromader.
Hintergrund:
Der Landkreis Harz kann bei Wald- und Vegetationsbränden eine eigene luftgestützte Brandbekämpfung einsetzen. Das Löschflugzeug vom Typ Dromader PZL M18 B ist neben dem satellitengestütztes Sensorsystem – es erkennt Feuer von 10×10 Meter-Größe aus dem All – ein weiterer Schritt in der Brandprävention.
Sechs Monate und einen Tag nach dem Grundsatzbeschluss im Kreistag, ist am 30. März das Löschflugzeug in Ballenstedt gelandet, was in der Waldbrandsaison von Anfang April bis Ende September 2023 bereit steht. Für 150 000 Euro hat es der Landkreis bei dem polnischen Unternehmen „Mieleckie Zakłady Lotnicze“ (MZL) samt Berufspilot und Mechaniker gechartert. Die schnelle Verfügbarkeit des Flugzeuges führt neben der zeitnahen Brandbekämpfung auch zu einer schnellen und genauen Erkundung von Bränden.
„Mit diesem luftgebundenen Löschmittel beendet der Harzkreis mehrere Probleme, mit denen die Feuerwehren im Brandfall seit Jahren kämpfen müssen“, ist Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse glücklich. So lassen sich etwa aus der Luft Brände schneller und genauer erkunden. „Das spart im Ernstfall wichtige Zeit beim Erstangriff gegen die Flammen und behindert so die Ausbreitung des Feuers.“
Mit 2 200 Liter Wasser beladen, wiegt die Dromader 5,3 Tonnen und bleibt damit 400 Kilogramm unter der Höchstlast der Asphaltbahn des Flugplatz Ballenstedt/Harz. Der Tiefdecker mit festem Fahrwerk wurde Mitte der 1970er Jahre in Polen für den Betrieb auf/von unpräparierten Landebahnen entwickelt. Die Dromader PZL M18 B wird von einem 9-Zylinder-Sternmotor angetrieben. Dieser
entfacht mit einem 30-Liter-Hubraum eine Leistung von 1000 PS. Die Dromader PZL M18 B kann ihre Ladung sowohl als Wasser-Linie über dem Feuer als auch als gezielte „Wasserbomben“ mit einer Bodenabmessung von rund 150 Quadratmeter entladen.
MZL verzeichnet in seiner 45-jährigen Unternehmensgeschichte nach eigenen Angaben 160 000 Flugstunden bei der Waldbrandbekämpfung – ohne einen einzigen Unfall.
Die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harz sind 2022 Jahr bei Wald- und Vegetationsbränden vielerorts stark gefordert worden – und das mehr als 200 Mal. „Allein 177 Vegetationsbrände und weitere 32 Waldbrände mussten im Kreisgebiet gelöscht werden“, so der Landrat. Thomas Balcerowski dankte ausdrücklich allen ehrenamtlichen Brandschützern für ihren unverzichtbaren Dienst für die Allgemeinheit.
Der Betrieb eines Löschflugzeuges im Auftrag des Landkreises Harz ist das Ergebnis des Katastrophenfalls vom Sommer 2022. Vom 4. bis 9. September waren beim Löschen eines Großbrandes am Brocken 1 800 Feuerwehrleute im Einsatz. Das Feuer am 3. September im Nationalpark Harz unweit des Goethebahnhofes ausgebrochene Feuer und wurde zum ersten Katastrophenfall in der Geschichte des Landkreises Harz. Dabei brachten elf Hubschrauber von Bundeswehr und Landespolizei sowie zwei Löschflugzeuge aus Italien in drei Tagen rund neun Millionen Liter Löschwasser aus der Luft auf den Großbrand. Dessen Kosten belaufen sich derzeit auf mindestens zwei Millionen Euro.