
Wenn Boris klettert, dann geht es ihm gut. Dann stellt er sich seinen Ängsten und kommt raus aus seiner Komfortzone. Klettern ist für ihn Therapie auf dem Weg zu einem normalen Alltag. Denn dorthin will er zurück. Seit elf Wochen wird der 14-Jährige in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Südharz Klinikum in Nordhausen behandelt. “Soziale Ängste, also ich konnte nicht mehr in die Schule gehen, nicht einkaufen, allgemein war ich eigentlich nur noch drin. Ziemlich viel geschlafen, Musik gehört. Filme geschaut”, so beschreibt Boris die Zeit bevor er einen Therapieplatz in Nordhausen bekam.
Psychiatrische Kinder- und Jugendkliniken sind voll belegt
Allein dort werden aktuell durchschnittlich bis zu 25 Prozent mehr Kinder und Jugendliche als in den vergangenen Jahren behandelt. Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Stadtroda stiegen die Anfragen für stationäre und tagesklinische Behandlungen. Im Ökumenischen Hainich-Klinikum in Mühlhausen und im Helios-Klinikum in Hildburghausen seien bereits im vergangenem Jahr nahezu alle stationären Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie belegt gewesen. Auch in diesem Jahr sei das der Fall, heißt es aus den Kliniken im Freistaat.
Das Jahr 2022 ist ein ganz besonderes Jahr und eine ganze besondere Herausforderung, weil wir etwa 25 Prozent mehr Patienten haben als in den Jahren davor. Die Folgen der langen Coronazeit kommen eigentlich erst jetzt so richtig.
Viele haben Suizid-Gedanken
Neben Essstörungen und Depressionen leiden die Kinder vor allem an Angst- und Zwangserkrankungen. Die Zahl derer, die Selbstmord-Gedanken haben, hätte zugenommen, so Dr. Michael Kroll, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Asklepios Fachklinikum Stadtroda. Luisa ist seit zwei Jahren regelmäßig zu Gesprächen im Südharz-Klinikum in Nordhausen. Die 14-Jährige kann nur schwer beschreiben wie es ihr geht: “Wegen Corona war ganz viel allein. Da bin ich halt immer mehr trauriger geworden und habe dann irgendwann Suizid-Gedanken bekommen.”
Auch kämen immer mehr Kinder und Jugendliche, die nicht mehr in die Schule gehen wollen in die Behandlung. Es gebe immer mehr psychosomatische Erkrankungen, wie etwa Bauchschmerzen, die keine körperlichen, sondern psychische Ursachen haben. Der Body-Mass-Index sei gerade bei Jugendlichen rapide gestiegen, berichten die Mediziner. Die größten Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendlichen hätten die Einschränkungen im Schulbesuch gehabt.
Die politischen Entscheidungen während der Pandemie haben die Nöte, Bedürfnisse und Wünsche der Kinder nicht respektiert.
Autor: MDR Harz
Quelle: MDR Harz