Die Situation gibt es täglich, auch in Thüringen. Es gibt einen Erstkontakt der Täter zu möglichen Opfern, plötzlich hat man deren Telefonnummer, oft sogar eine Kontonummer, auf die die Opfer überweisen sollen oder es gibt eine Übergabestelle für Wertgegenstände oder Bargeld.
Polizei informieren und mitspielen
Aber wer wird dann dort angetroffen? Wem gehören Handynummer oder Konto? Täter, die so dämlich sind, das alles mit ihrer echten Identität zu organisieren, sind definitiv nicht lange am Markt. Fakt ist: Wenn ein angehendes Opfer Lunte riecht und mitspielt und die Polizei darüber informiert, dass eine physische Geldübergabe stattfinden soll, der kann sicher gehen, dass hier alles in Bewegung gesetzt wird.
Die echte Polizei informieren und mit ihr besprechen, ob man mitspielen soll.
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Mit einer gemeldeten Telefonnummer und den damit verbundenen Ortungsphantasien “Marke Tatort” kommen die Ermittler aber erfahrungsgemäß nicht zum Ziel. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten, Standort, Nummer, Identitäten und andere Spuren zu verschleiern. Das ist am Ende der Grund, warum hier der Drang geringer ist, den Fall aufzunehmen. Es ist viel Arbeit, viel Schreibkram und von Anfang an zu nahezu 100% sicher, dass die Ermittlungen in einer Sackgasse enden.
Und wer schon einmal die Polizei zur Aufnahme einer Anzeige zu Besuch hatte, der fühlte sich ins vergangene Jahrhundert rückversetzt. Immerhin haben die Beamten schon Kugelschreiber und Papier. Da wird der Fall akribisch aufgenommen, einschließlich aller Daten, die überhaupt erst die Basis sind, für eine spätere rechtsstaatliche Verurteilung des Täters.
Dazu gehören eben Opfer, Zeitpunkte, Tatabläufe usw. und das alles dauert und muss eben gewöhnlich zweimal erledigt werden. Zum Vergleich: In Amerika “sitzt” auf dem Beifahrersitz eines Polizeiautos ein Computer, mit Bildschirm, Tastatur und Internet. Deutsche Polizisten haben in der Regel noch nicht einmal ein Diensthandy, auch wenn sich das derzeit ändert, auch Tablets werden Stück für Stück eingeführt.
Die Polizei ist bundesweit noch in der analogen Welt unterwegs. Der Kollege nimmt die Anzeige mit Zettel und Stift auf und gibt es in der Dienstelle in unterschiedliche Anwendungen ein.
Alexander Poitz, Kriminalbeamter, stellv. Vorsitzender der Polizeigewerkschaft GdB
Kleine Fische fangen
Dass das wertvolle Zeit kostet, das ist klar, außerdem ist es ineffektiv, was könnte man in dieser Zeit nicht alles Sinnvolles tun! Streife fahren, Zusammenhänge ermitteln oder vielleicht einen Enkeltrick-Betrüger festnehmen, der zum Übergabetreffpunkt gekommen ist.
Doch in den allermeisten Fällen liegt hier leider oft auch nur jemand in Handschellen am Boden, der so nett war, einen Botendienst zu übernehmen. Das bedeutet: Er wurde vielleicht angesprochen und – wie die Opfer auch – mit einer überzeugenden Geschichte zu der kleinen Gefälligkeit überredet. Der Kontaktmann bleibt anonym, an der Stelle würde also die Spur in der Regel enden. Die nächsthöhere Hierarchieebene beobachtet vielleicht das Treiben aus sicherer Entfernung und ist verschwunden, wenn bei der Übergabe des Geldes etwas schief läuft oder gar die Polizei auftaucht.
Wir haben es mit organisierter Kriminalität zu tun, Bandenstrukturen, professionell aufgebaut, mit Strohmännern und Hierarchien. Das Ziel der Polizei ist es, die Strukturen zu zerschlagen.
Alexander Poitz, Kriminalbeamter, stellv. Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (GdP)