Es ist Freitagabend. Aus allen Richtungen kommen die Kameraden herbeigeströmt. Das kleine Feuerwehrdepot der Freiwilligen Feuerwehr Güntersberge befindet sich mitten im Ort. Ein fröhliches Hallo erklingt zur Begrüßung. An jedem zweiten Freitag treffen sich die Feuerwehrmitglieder zum so genannten Dienstabend. Dann wird gemeinsam geübt oder die Technik gewartet.
Als Pascal Weiß ankommt, erkennt man ihn sofort. Er ist kleiner als die anderen, geht mit kleinen Schritten und hält sich dabei an einem Rollator fest. Doch niemand schaut besonders. Das “Hallo” erklingt genauso fröhlich und “normal” wie bei den anderen Kameraden.
Die meisten hier kennen sich von Kindheit an. Pascal Weiß hat kürzlich seinen Grundlehrgang zum Feuerwehrmann erfolgreich absolviert. Deshalb soll er als Erster die auf dem Einsatzfahrzeug untergebrachte Technik beschreiben. Danach ist der Nachbar dran. So geht es reihum.
Feuerwehrmann mit Gehhilfe – das funktioniert
Der bestandene Grundlehrgang berechtigt Pascal, bei Alarm zum Einsatz mit hinauszufahren. Dabei ist er behindert. Der junge Mann leidet an einer spastischen Zerebralparese. Er ist teilweise gelähmt. Die linke Körperhälfte ist beeinträchtigt, und er benötigt eine Gehhilfe, um sich fortzubewegen.
Doch sein Herz schlägt für die Feuerwehr. “Es gibt für mich nichts Besseres und Anderes als die Feuerwehr”, sagt Pascal Weiß. Er habe das Ziel, trotz seiner Beeinträchtigung, anderen Leuten so gut wie er kann zu helfen. Und das mache ihm Spaß, sagt er.
Im Alter von zehn Jahren ging Pascal zur Jugendfeuerwehr. Seitdem ist er dabei. Feuerwehr, das ist sein Ding! Dass er nicht alles machen kann, was seine Kameraden können, weiß er. “Ich werde nie an vorderster Front stehen. Das weiß ich”, sagt der junge Mann. Denn Löschen und Retten sind auch körperlich anstrengend. Trotzdem stehe Pascal seinen Mann in der Truppe, sagt Feuerwehrleiter Mario Sander, der voll des Lobes ist.
Wehrleiter: Es gibt keinen Schonposten
Pascal sei mit ganzem Herzen Feuerwehrmann, sagt er. So sei er vor dem Grundlehrgang, als er noch gar nicht mit zu Einsätzen ausrücken durfte, bei Alarm zum Depot gekommen, auch nachts. Dort habe er ausgeharrt, bis der Einsatz zu Ende war. “Und wenn ich dann nach Hause kam, hatte ich alle wichtigen Daten und Uhrzeiten vom Einsatz schon auf meinem Handy”, so Sander.
Pascal Weiß unterstützt schon länger den Feuerwehrchef bei der Büroarbeit. Mario Sander hat denn auch überhaupt kein Problem mit einem behinderten Feuerwehrkameraden in seiner Truppe.
“Es gibt ja nicht nur Löschen und Retten. Es muss auch jemand die Straße absperren oder am Waldrand stehen und nachfolgende Fahrzeuge einweisen. Das wird immer unterschätzt”, sagt der Leiter der Güntersberger Feuerwehr.
Natürlich gehen die Feuerwehrmitglieder ihrem Kameraden Pascal auch mal zur Hand. Doch einen Schonposten, den gebe es nicht, sagt Lars Deutel, der stellvertretende Wehrleiter. Den wolle Pascal auch gar nicht, sagt er.
“Alles was er machen kann, lassen wir ihn auch machen, wenn wir es vertreten können”, so Deutel. Dadurch wüssten sie auch, was Pascal leisten könne und was nicht, so Mario Sander. Das sei wichtig im gemeinsamen Einsatz. Bisher habe das wunderbar geklappt.
Als nächstes kommt der Funklehrgang
Und so gut soll es auch weitergehen. Einen Funklehrgang will Pascal Weiß demnächst noch absolvieren. Mal sehen, was danach noch möglich ist. Doch für ihn ist es schon jetzt ein Riesenerfolg, an den Einsätzen mitwirken zu dürfen. Ist das die viel geforderte gelebte Inklusion? In Güntersberge zuckt man mit den Schultern. Es passiert hier einfach.
Nach knapp zwei Stunden ist die Technik-Schulung beendet. Der Dienstabend aber ist noch nicht vorbei. Der Grill wird angeworfen, Getränke werden herangeschleppt. Der Dienstabend der FFW Güntersberge endet gemütlich, mit Bier, Bratwurst, Steak und Cola. Auch das gehört dazu, auch für Feuerwehrmann Pascal Weiß.
Autor: MDR Harz
Quelle: MDR Harz